INHALT DES >IN-PRINCIPIO-DIALOGS<

Wenn man sagt: »Himmel und Erde, dies und das ist«, so findet sich in dem »ist« nur eine Verschiedenheit, insofern es je einem verschiedenen Geschöpf zugeleit wird. Doch hot wesen in seiner lauterkait kein teilunge nach keinen zuval nach keinen vnterscheit. Do von wilt du got sehen, so sich lauter wesen an teilunge, an zuval dez ald dez und an vnterscheit. (153-156) Aus diesem Prinzip wird die Unterscheidung von Sein (wesen) und Wesenheit (nature) abgeleitet. Problema­tisch ist die Frage, inwiefern Gott als dieses reine Sein in jedes geschöpfliche Sein eingeht. Der Meister findet die problemgeschichtlich höchst interessante Lösung: Wie die Eins als Prinzip aller Zahlen vor allen Zahlen steht und ver­schieden ist von jeder Zahl, jedoch in alle Zahlen prinzipiierend eingeht (1+i+1 ... ), so steht Gott zu seiner Schöpfung. Also ist in aller creatur ein wesen, in dem allez wesen stat und ist. Daz ist gemein aller creatur. Daneben ist aber jede Zahl eine Einheit als Zwei, Drei, Zehn, je nach ihrer Art und Größe, so auch daz anderr wesen daz ist eigen sunderlich iglicher creatur. (365-366)

Bei der Begründung der Dreifaltigkeit Gottes stützt sich der Meister auf einen Seitenzweig der Schultheologie, nämlich auf die Trinitätslehre Richards von Sankt Viktor, der die Vielheit nicht wie üblich aus der Selbsterkenntnis, sondern aus der Liebe ableitet. Gott als höchste Güte will sich verströmen und sucht einen gleichwertigen Geliebten. Das kann aber nur der Sohn gleichen göttlichen Wesens sein. Diese gegenseitige Liebe braucht zur höchsten Erfül­lung wieder einen Dritten, dem beide Liebenden das Glück ihrer Liebe mittei­len können, den Heiligen Geist. Beachtenswert ist auch, daß als geschöpfliches Gleichnis für diese dreifaltige göttliche Liebe das Bild der gegenseitigen Liebe von Vater, Mutter und Kind angeführt wird, das in der Schultheologie sonst grundsätzlich gemieden wird.

In der Frage, wie die Verschiedenheit und Vielzahl der Geschöpfe aus dem einen göttlichen Wesen entspringen konnten, wird auf die platonisch-augusti­nische Ideenlehre zurückgegriffen. In Gottes Erkenntnis ist von jedem indivi­duellen Geschöpf eine eigene Idee gleichsam als Ausfaltung des unendlichen Reichtums der schöpferischen Kraft Gottes. Um den Hervorgang dieser ge­schöpflichen Vielfalt zu erläutern, legt der Meister die Bilder des Spiegels und des Bachs aus. In einem Schlußkapitel wird die zuvor entfaltete Spekulation als Deutung des Prologs des Johannesevangeliums verstanden, freilich nicht von wort ze wort; wan vil in dem selben ewangelio ist, daz gemein ler angat und von allen wirt gesprochen vil und oft. Ich wolt daz betuten, daz tiefe synne hat und nicht gemeincleichen gesprochen wirt. (1323-1325)

 

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